Jahresauswertung 2012 des Register Treptow-Köpenick
Treptow-Köpenick hat im Vergleich zu anderen Regionen eine deutlich sichtbare und aktive rechte Szene, die den Großteil der gesammelten Vorfälle verursacht. Der Bezirk beherbergt die Bundeszentrale der NPD in Köpenick und hat in der Region rund um den Bahnhof Schöneweide mit einer verfestigten rechten Szene zu tun, die dort wohnt, Geschäfte betreibt und den öffentlichen Raum dominieren möchte.
Im Jahr 2012 wurden 220 Vorfälle dokumentiert (2011: 198), die bisher höchste Anzahl in einem Jahr, seit Bestehen des Registers. Der Anstieg ist auf ein wachsendes Netz von engagierten Anwohner_innen zurückzuführen, die beim Register ihre Beobachtungen melden, aber auch auf die tatsächliche Menge an Vorfällen. Dabei stellten 160 Propagandavorfälle (73 Prozent) den Großteil aller Vorfälle. Der Anstieg an Vorfällen im Gesamtbezirk ist auf vermehrte Propagandaaktivitäten der rechten Szene in den Regionen Johannisthal und Köpenick Nord zurückzuführen. In diesen Regionen ist es das Ziel der Neonazis, den öffentlichen Raum durch Anbringen ihrer rechten Symbolik zumindest symbolisch zu dominieren.
Die Anzahl der Angriffe ist zwar zurückgegangen (2011: 18, 2012: 11), Entwarnung kann aber nicht gegeben werden, denn es gibt Angsträume, die von potentiell Betroffenen gemieden werden, sodass weniger Angriffe stattfinden. Der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt zudem, dass die Zahl der Angriffe variieren kann. Neun Angriffe richteten sich gegen politische Gegner_innen von Neonazis, zwei waren rassistisch motiviert.
Inhaltlich haben die Vorfälle, die der rechtsextremen Selbstdarstellung dienen, sichtbar zugelegt (2011: 72, 2012: 101), abgenommen haben dagegen rassistisch motivierte Vorfälle (2011: 39, 2012: 25). Auffällig ist hierbei ein Rückgang an rassistisch motivierten Angriffen (2011: 12, 2012: 2).
Es gibt drei Regionen in Treptow-Köpenick in denen ein deutlicher Zuwachs an Vorfällen zu verzeichnen war: Köpenick Nord (+25), Johannisthal (+15) und Oberschöneweide (+12). Alle drei Ortsteile befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den „Zentren“ rechtsextremer Strukturen im Bezirk. Trauriger Spitzenreiter im Bezirk bleibt Niederschöneweide mit 68 Vorfällen, es folgen Johannisthal (39), Köpenick Nord (25), Baumschulenweg (21), Oberschöneweide (17) und die Köpenicker Dammvorstadt (17). In Johannisthal und Schöneweide haben sich neue Initiativen gegründet (z.B. Initiative „Uffmucken Schöneweide“, Runder Tisch Johannisthal), die gegen Dominanzbestrebungen der rechten Szene, insbesondere gegen deren Propaganda, vorgehen und sensibel auf solche Aktivitäten reagieren. Dass die Deutungshoheit auf der Straße in der Region um den Bahnhof Schönweide weiterhin „umkämpft“ ist, zeigen 124 (56 Prozent) Vorfälle, die allein in Ober- und Niederschöneweide sowie Johannisthal dokumentiert wurden. Dort fanden außerdem auch 8 von 10 Angriffen statt.
Auch wenn die Vorfälle keinen Rückgang an Aktivitäten der rechten Szene beschreiben, so ist trotzdem ein Wandel im Vergleich zu 2011 spürbar. Es gab weniger, dafür aber gezieltere Angriffe auf politische Gegner_innen, die zu einer Solidarisierung mit den Betroffenen führten. Die Veröffentlichung und Thematisierung von rechtsextremen Strukturen in Schöneweide und das Auftreten des NSU haben zu einem erhöhten medialen Interesse am Ortsteil geführt. Dies hat stark dazu beigetragen, dass Anwohner_innen des Bezirks sich zunehmend demokratisch engagieren wollen. Dabei haben kleine Aktionen wie die Spaziergänge zur Entfernung rechter Propaganda einen besonders positiven Beitrag geleistet, weil sich viele Menschen anschlossen. Inwieweit das neu entstehende Engagement zu einer positiven Entwicklung in den stark betroffenen Regionen beiträgt, werden die kommenden Jahre zeigen.