Jahresauswertung 2011 des Register Treptow-Köpenick
Im Jahr 2011 wurden insgesamt 197 Vorfälle in Treptow-Köpenick dokumentiert, die höchste Anzahl in einem Jahr seit Bestehen des Registers. 124 dieser Vorfälle sind Propagandaaktivitäten, zu denen nicht nur Aufkleber gehören, sondern auch Sprühereien. Auffällig ist der Anstieg von Angriffen und massiven Bedrohungen im Bezirk (2010:6, 2011:17). Unter den Angriffen waren elf rassistisch motiviert, fünf richteten sich gegen politische Gegner_innen. Aus der Grafik 8 kann entnommen werden, dass sich z.B. rassistische Vorfälle in Propaganda, Angriffen und Bedrohungen sowie Beleidigungen niederschlagen. Sachbeschädigungen richteten sich mehrheitlich gegen politische Gegner_innen.
Der Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl und den Bezirksverordnetenversammlungen im Jahr 2011, schlägt sich in den Zahlen des Registers nur wenig nieder, vielmehr ist der Anstieg darauf zurückzuführen, dass Niederschöneweide sich als Aktions- und Rückzugsraum für die Berliner Neonaziszene weiter etabliert hat. Das Register verzeichnet einen Anstieg im Gesamtbezirk von 35 Vorfällen im Vergleich zum Jahr 2010. Allein in Niederschöneweide waren es 30 Vorfälle mehr als im Vorjahr. Unter den 77 Vorfällen aus Niederschöneweide waren 43 Propagandavorfälle, fünf Angriffe und Bedrohungen, drei Beleidigungen und Pöbeleien, 14 Sachbeschädigungen und zwölf Veranstaltungen, darunter auch Infotische der NPD. Besonders hervorzuheben sind 27 Vorfälle, die sich gegen politische Gegner_innen richteten.
Durch verschiedene Aktionen, wie Sprühereien, Sachbeschädigungen und Angriffe gegen politische Gegner_innen, macht die rechte Szene deutlich, dass sie die aufkeimende demokratische Gegenwehr, die vor Ort von verschiedenen Initiativen und Gruppen ausgeht, einschüchtern will. T-Shirts mit dem Slogan „Schöneweide unser Kiez“ unterstreichen diese Hegemoniebestrebungen. Trotzdem ist der Großteil der Vorfälle in Niederschöneweide nicht strafrechtlich relevant, spiegelt aber deutlich wieder, dass sich die rechtsextreme Szene in Niederschöneweide verfestigt hat. Dies wurde 2011 durch die Eröffnung eines weiteren Geschäfts der rechten Szene in der Brückenstraße, dem „Hexogen“, deutlich. Mit dem „Hexogen“ und der Kneipe „Zum Henker“ befinden sich zwei offen rechtsextreme Geschäfte in unmittelbarer Nähe. Dass weitere Neonazis oder Menschen mit rechtsextremer Vergangenheit in Schöneweide Geschäfte eröffnen oder bereits betreiben, wurde 2011 durch eine Antifarecherchebroschüre aufgedeckt und durch Ermittlungsbehörden inhaltlich bestätigt. Die Anzahl an Vorfällen entspricht also dem Potenzial, das die organisierte rechte Szene dort entwickelt.
Die Ortsteile, die an Schöneweide angrenzen, wie Johannisthal (24) oder Baumschulenweg (19), weisen ebenfalls hohe Fallzahlen auf. Auch der Ortsteil Köpenick, in dem sich die NPD-Bundeszentrale befindet, liegt mit 19 Vorfällen im oberen Bereich. Hier sind es vor allem Veranstaltungen und Infotische der NPD, die die Vorfälle ausmachen.
Was die Zahlen nicht ausdrücken, sind die Geschichten, die hinter den einzelnen Vorfällen verborgen bleiben. Einige sind beängstigend, viele alltäglich, manche empörend oder skurril. Die Menschen, die Vorfälle melden, haben häufig das Bedürfnis, dass ihre Beobachtungen auch von anderen wahrgenommen werden und dass im Idealfall solidarische Reaktionen folgen. Die Dokumentation von Vorfällen ermöglicht über einen langen Zeitraum, Entwicklungen zu erkennen; seien sie positiv oder negativ und darauf zu reagieren. So werden in Niederschöneweide beispielsweise viele neue Handlungsstrategien gegen Neonazis umgesetzt, die auf die Problemlage vor Ort eingehen.