2018: Pressekonferenz der Berliner Register vom 05. März 2019
Pressemitteilung: Berliner Registerstellen verzeichnen einen Anstieg rechter, rassistischer und antisemitischer Vorfälle um 22 Prozent
+++ 9 Vorfälle werden pro Tag in Berlin dokumentiert +++ Rassistische und Antisemitische Vorfälle besonders stark angestiegen +++ Gesellschaftliches Klima begünstigt Gewalt, Bedrohungen und Beleidigungen
Für das Jahr 2018 haben die Berliner Registerstellen gemeinsam mit ihren Kooperationspartner*innen 3405 Vorfälle (2017: 2800) mit extrem rechtem, rassistischem, antisemitischem, lgbtiq*feindlichem, sozialchauvinistischem oder behindertenfeindlichem Hintergrund dokumentiert. Das ist ein Anstieg um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Durchschnitt wurden pro Tag 9 Vorfälle aufgenommen.
50 Prozent dieser Vorfälle sind Propaganda (2018: 1691, 2017: 1603), 26 Prozent Beleidigungen und Bedrohungen (2018: 899, 2017: 459). Jeweils 9 Prozent sind Veranstaltungen (2018: 317, 2017: 305) und Angriffe (2018: 309, 2017: 267). Sachbeschädigungen (2018: 68, 2017: 78), Vorfälle in der BVV (2018: 46, 2017: 30) und Sonstige Vorfälle (2018: 75, 2017: 58) machen zusammen 6 Prozent aus.
40 Prozent aller Vorfälle sind rassistisch motiviert (2018: 1355, 2017: 859), 23 Prozent antisemitisch (2018: 787, 2017: 573). 15 Prozent waren der rechten Selbstdarstellung (2018: 499, 2017: 587) und 11 Prozent der Verharmlosung des Nationalsozialismus (2018: 382, 2017: 293) zuzuordnen. 7 Prozent der Vorfälle richteten sich gegen politische Gegner*innen (2018: 242, 2017: 251), 3 Prozent waren LGBTIQ*-feindlich motiviert (2018: 109, 2017: 98), 1 Prozent war sozialchauvinistisch oder behindertenfeindlich (2018: 22, 2017: 11) oder sonstig (2018: 9, 2017: 5) motiviert.
Antisemitische und Rassistische Angriffe, Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien sind im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen. Vorfälle, die den Nationalsozialismus verharmlosen sind ebenfalls weiter angestiegen auf 382 (2017: 293). Es gibt einen Rückgang an Vorfällen, die einer organisierten rechten Szene zugeordnet werden können. Dazu gehören Veranstaltungen in den Ostberliner Randbezirken, die faktisch nicht mehr stattfinden. Stattdessen ist die Zahl von Demonstrationen und Kundgebungen mit rassistischem Hintergrund in den Innenstadtbezirken deutlich gewachsen. Die Verursacher*innen von Vorfällen nutzen oftmals Gelegenheiten im Alltag, um tätig zu werden. Sie brauchen keine organisatorische Anbindung an extrem rechte Organisationen. Das gesellschaftliche Klima hat sich im vergangenen Jahr dahingehend verändert, dass die Hemmschwelle zur verbalen und physischen Gewalt gesunken ist.
Drei Beispiele zeigen, welche Vorfälle jenseits von körperlicher Gewalt dokumentiert werden:
- 8. Juni, Märkisches Viertel: Eine 27-jährige Frau, die ein langes Kopftuch (Tschador) trug, stieg gegen 15 Uhr nachmittags am Packereigraben im Märkischen Viertel in den Bus M 21 ein. Die Fahrerin des Busses beleidigte nach Polizeiangaben die zugestiegene Frau, zeigte einen Hitlergruß und deutete mit zwei Fingern einen Hitlerbart an. Die Polizei ermittelt gegen die Busfahrerin wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
- 5. September, Tiergarten: Ab 18.00 Uhr fand die wöchentliche Demonstration der AfD Brandenburg unter dem Motto "Merkel muss weg!" vor dem Bundeskanzleramt in der Willy-Brandt-Straße in Tiergarten statt. Ca. 25 Demonstrationsteilnehmende folgten Reden, in denen rassistisch und aggressiv gegen die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Bundesregierung Stimmung gemacht wurde. Beteiligt war auch der rechte Verein "Zukunft Heimat e.V." aus Cottbus.
- 1. Dezember, Schöneweide: In der Wilheminenhofstraße wurden 21 Orte, zum Teil Schaufenster von Läden, mit antisemitischen Parolen beschmiert. In der Firlstraße wurden ebenfalls verschiedene antisemitische Schriftzüge entdeckt: U.a. "Jude verrecke", "Jude raus" und "Stirb Jude".
Kati Becker, die Koordinatorin der Berliner Registerstellen, bewertet die Ergebnisse des Monitorings:
„Rassistisches und Antisemitisches Verhalten entspringt Einstellungen und Werten. Der erhebliche Zuwachs gerade dieser Vorfälle ist besorgniserregend und zeigt, dass es notwendig ist sich im Alltag ganz bewusst gegen Ausgrenzung und Abwertung einzusetzen.“
Anders als die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentieren die Register neben gewalttätigen Angriffen und massiven Bedrohungen auch andere Vorfälle wie zum Beispiel Propagandadelikte und Beleidigungen. Ziel der Register ist es, alltägliche Formen von Diskriminierung sichtbar zu machen, um rechtzeitig Gegenstrategien zu entwickeln.
Die detaillierte Auswertung für Berlin finden Sie auf dieser Seite. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Kati Becker, Koordinatorin der Berliner Register telefonisch unter 0152 - 04 42 57 46 oder per E-Mail an info@berliner-register.de. Für Rückfragen zu den Bezirken wenden Sie Sich bitte an die jeweiligen Projekte.