Veröffentlichung der Auswertung 2024 des Registers Steglitz-Zehlendorf

Jahresbericht 2024 der Registerstelle Steglitz Zehlendorf zeigt besorgniserregende Entwicklungen
Im aktuellen Jahresbericht 2024 der Registerstelle Steglitz-Zehlendorf wird ein deutlicher Anstieg (extrem) rechter, rassistischer und diskriminierender Vorfälle im Bezirk verzeichnet. Der Bericht zeigt auch: Diskriminierende, rechte und extrem rechte Vorfälle sind nicht nur häufiger geworden, sondern auch inhaltlich radikaler.
Ein Frühwarnsystem für demokratiefeindliche Entwicklungen
Die Registerstelle Steglitz-Zehlendorf, ein zivilgesellschaftliches Projekt, dokumentiert seit 2016 systematisch Vorfälle von Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Ihre Arbeit dient sowohl der Sichtbarmachung dieser Tendenzen als auch als Frühwarnsystem für Politik und Gesellschaft. Mit diesem Bericht warnt die Registerstelle vor einer zunehmenden Normalisierung menschenfeindlicher Ideologien und fordert mehr gesellschaftliche und politische Wachsamkeit.
Mehr Vorfälle, mehr Aggression – deutlicher Anstieg bei Bedrohungen und Gewalt
Die häufigste Vorfallsart bleibt auch 2024 Propaganda, also Aufkleber, Flyer, Schmierereien und ähnliche Mittel zur Verbreitung (extrem) rechter Ideologien. Diese machten 2024 insgesamt 129 Vorfälle aus. Auffällig ist jedoch, dass der Anteil an Propagandavorfällen im Vergleich zur Gesamtzahl zurückgegangen ist – ein Hinweis darauf, dass andere Vorfallsarten deutlich zugenommen haben, wie auch der Überblick zeigt:
- Beleidigungen, Bedrohungen und Pöbeleien: 34 Fälle (2023: 21)
- Demokratiefeindliche Veranstaltungen: 24 Fälle (2023: 9)
- Sachbeschädigungen: 13 Fälle (2023: 4)
- Körperlichen Angriffe: 9 Fälle insgesamt, davon über die Hälfte rassistisch motiviert
Rassismus und Antisemitismus dominieren das Motivbild
Rassismus war erneut das häufigste Vorfallsmotiv – mit 91 dokumentierten Fällen (2023: 65). Besonders erschreckend: Antisemitisch motivierte Vorfälle haben sich mehr als verdoppelt, von 19 Fällen im Jahr 2023 auf 41 im Jahr 2024. Antisemitismus zeigte sich dabei nicht nur in Schmierereien, sondern auch in Angriffen, Veranstaltungen und gezielten Störungen.
Ein Großteil der Propaganda war rassistisch motiviert (47 Fälle), gefolgt von Inhalten gegen politische Gegner*innen (23), antisemitischer Hetze (19) und der Verharmlosung des Nationalsozialismus (16).
Lichterfelde als Hotspot (extrem) rechter Aktivitäten
Die regionale Analyse zeigt, dass Lichterfelde mit 72 Vorfällen (33 % der Gesamtfälle) der am stärksten betroffene Ortsteil ist – ein Anstieg gegenüber 42 Fällen im Vorjahr. Hier kam es zu massiver Propaganda, aber auch zu Angriffen auf politische Akteure und rassistisch motivierten Gewalttaten. Im November kam es zum Beispiel zu einem antimuslimischen Angriff auf mehrere Frauen mit Hijab. Auch Projekte wie die „Steine der Vielfalt“, ein Kreativangebot zur Demokratiebildung, wurden gezielt zerstört.
Extrem rechte und neurechte Netzwerke und digitale Hetze
Ein zentraler Aspekt des Berichts ist das Wirken extrem rechter und neurechter Akteur*innen im Bezirk. Besonders in Lichterfelde Ost wurden Vereinsräume genutzt, um Vorträge und Veranstaltungen durchzuführen, bei denen Shoah-Leugner*innen, Mitglieder der „Identitären Bewegung“ und Vertreter*innen neurechter Verlage auftraten.
Antisemitismus an Universitäten und im öffentlichen Raum
Die Registerstelle verzeichnete antisemitische Vorfälle in nahezu allen Vorfallskategorien. Besonders häufig waren sie im Zusammenhang mit Veranstaltungen an der Freien Universität Berlin sowie am Sderotplatz in Zehlendorf. Dieser Gedenkort wurde mehrfach beschädigt. Ein alarmierender Trend zeigt sich auch in Demonstrationen, bei denen israelbezogener Antisemitismus offen geäußert wurde – inklusive der Leugnung des Existenzrechts Israels.
Fazit:
Die Normalisierung (extrem) rechter Ideologien, insbesondere im digitalen Raum und durch systematische Propaganda, stellt eine ernste Gefahr für das demokratische Miteinander im Bezirk dar. Die Registerstelle ruft daher eindringlich zu mehr zivilgesellschaftlichem Engagement, konsequenter Bildungsarbeit und politischer Verantwortung auf. Nur durch öffentliche Aufmerksamkeit, Solidarität mit Betroffenen und eine konsequente Dokumentation lässt sich dieser Entwicklung wirksam begegnen.