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30.03.2023 Register Tempelhof-Schöneberg

Extrem rechte und diskriminierende Vorfälle in Tempelhof-Schöneberg im Jahr 2022


TS 2022

Im Jahr 2022 hat die Registerstelle Tempelhof-Schöneberg insgesamt 120 Vorfälle dokumentiert, was einem Rückgang von 27 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht (2021: 164). Der Rückgang der dokumentierten Vorfälle im Jahr 2022 hat mehrere Gründe: Zuallererst endeten die Corona-Maßnahmen, was sich in einem Rückgang der NS-verherrlichenden Propaganda zeigte. Hinzu kommt, dass trotz der aktiven Zivilgesellschaft im Bezirk und dem Austausch mit der Registerstelle noch nicht mehr Vorfallsmeldungen zustande kamen. Die Dunkelziff er ist also hoch und es gibt noch viele lokale blinde Flecken. Das Dunkelfeld zu erhellen ist das Ziel der Registerstelle.

Vorfälle in den Ortsteile

Die beiden Ortsteile mit den meisten Vorfällen sind Mariendorf und Schöneberg-Nord mit je 27 Vorfällen. In Mariendorf gab es einen starken Rückgang von 62 (2021) auf 27 (2022) Vorfälle, vor allem bezüglich NS-verherrlichender Propaganda zur Zeit der Corona-Pandemie. In Schöneberg-Nord stiegen die gemeldeten Vorfälle von 17 (2021) auf 27 (2022) an, insbesondere LGBTIQ*-feindliche Vorfälle. Denn Betroff ene meldeten sich häufi ger direkt bei der Registerstelle als im Vorjahr.

In Friedenau (2021: 10, 2022: 13) und Marienfelde (2021: 2, 2022: 5) ist ein leichter Anstieg der dokumentierten Vorfälle auf niedrigem Niveau zu verzeichnen. In Schöneberg-Süd (2021: 25, 2022: 15) und Tempelhof (2021: 19, 2022: 10) sind dagegen Rückgänge von ca. 40% bzw. ca. 47% zu verzeichnen. In beiden Ortsteilen gingen antisemitische und NS-verharmlosende Propaganda zum Ende der Corona-Maßnahmen zurück. Internetvorfälle mit Bezug zu Tempelhof-Schöneberg gab es keine. Im Vorjahr 2021 gab es einzelne Störungen von Online-Veranstaltungen und Droh-E-Mails (2021: 4). Außerdem dokumentierte die Registerstelle Vorfälle, die Ortsteil-übergreifend stattfanden, die keinem Ortsteil zugeordnet wurden oder zum Betroff enenschutz anonymisiert wurden (2021: 22; 2022: 20).

Bei etwa 70% der in Mariendorf (2022:27) erfassten Vorfälle handelte es sich um Propaganda (insg. 19), bei denen vor allem Symbole des Nationalsozialismus verherrlicht wurden. Beispiele sind: Hakenkreuz-Schmierereien und die Parole „Nazi Kiez“ an Bushaltestellen und U-Bahnhöfen. Die Motive waren auch antisemitische, rassistische und LGBTIQ*-feindliche Parolen.

Vorfälle im Jahr 2022 nach Ort, Art und Motive

In Schöneberg-Nord wurden ca. 40% (2022:27) der Fälle als LGBTIQ*-feindlich eingestuft (insg. 11). Dazu gehörten Beleidigungen, Bedrohungen und Angriff e auf Schwule, Lesben und trans Menschen. In Bezug auf feindselige Vorfälle gegen die LGBTIQ*-Community wurden zwei Veranstaltungen in Schöneberg-Nord und -Süd dokumentiert.

Gegen den Christopher Street Day gab es eine transfeindliche Gegendemo am Nollendorfplatz. Die Junge Alternative (Jugendorganisation der AfD) veranstaltete mit etwa 50 Teilnehmenden im Oktober 2022 die Kundgebung “Pädo-Kita” gegen die Eröff nung einer Kita des Projekts Lebensort Vielfalt der Berliner Schwulenberatung in Schöneberg-Süd. Das ist der falsche Vorwurf, dass schwule Männer Sexualstraftaten gegen Kinder ausübten. Beide Veranstaltungen wurden von Nachbar*innen stark kritisiert. Eine Gegenkundgebung mit etwa 300 Menschen fand in Solidarität mit der Kita statt.

Sowohl in Schöneberg-Süd als auch in Schöneberg-Nord gab es antisemitische Vorfälle. Drei der fünf Vorfälle waren Sachbeschädigungen, wobei im November 2022 im Eingangsbereich der Tifret-Israel-Synagoge in der Passauer Straße (Schöneberg-Süd) die Mesusa, die traditionelle jüdische Schriftkapsel am Türpfosten, abgerissen wurde. Im Sommer 2022 wurde in einem bekannten, israelischen Restaurant in der Fuggerstraße, in dem die Ausstellung eines jüdischen Fotografen aus Frankfurt gezeigt wurde,eines seiner Bilder mutwillig zerstört.

In Schöneberg-Süd (2022: 15) wurden viele rassistische Vorfälle (2022: 8) gemeldet. Bei den Vorfällenhandelte es sich um anti-Schwarzen Rassismus (6) und anti-muslimischen Rassismus (1). Auch rechte Selbstdarstellung in Form von Aufklebern und Graff iti wurde in diesem Ortsteil dokumentiert.

In Tempelhof (2022:10) war der Hauptgrund für die dokumentierten Vorfälle im Jahr 2022 Rassismus allgemein, während im Jahr 2021 die meisten Vorfälle im Zusammenhang mit antisemitischer Propaganda, rechter Selbstdarstellung und rechten Aufklebern standen. Bei den im Jahr 2022 dokumentierten Vorfällen in Lichtenrade (2022:3) und Marienfelde (2022:5) handelte es sich vor allem um die Verherrlichung von Symbolen des Nationalsozialismus, rechte Schmierereien, zwei rassistische Angriff e und einer Veranstaltung aus dem verschwörungsideologischen Spektrum.

Die Vorfälle, die der Kategorie „Bezirksweit“ (2022:20) zugeordnet wurden, waren insbesondere durch Situationen struktureller Benachteiligung gekennzeichnet, die als Romn*ja und Sinti*zze wahrgenommene Personen erlebten.

Im Jahr 2022 wurden keine Fälle von Feindlichkeit gegenüber Wohnungslosen und gegenüber Menschen mit Behinderung gemeldet. Das Register vermutet hier ein großes Dunkelfeld. Viele Betroff ene werden nicht erreicht, da keine starke Vernetzung mit Organisationen, die im Bereich Behindertenfeindlichkeit und im Bereich Menschen ohne festen Wohnsitz aktiv sind, besteht.

Im Vergleich zum Vorjahr 2021 gingen die dokumentierten Fälle im Jahr 2022 zurück. Die Anzahl der Vorfälle entspricht nun vielmehr den Jahren 2019 und 2020, auch hinsichtlich der Anzahl, Ort und Ursache. Es ist davon auszugehen, dass das Jahr 2021 einen Ausreißer in den Fallzahlen der letzten vier Jahre darstellt. Wie anfangs erwähnt, ist diese Ausnahme unter anderem darauf zurückzuführen, dass im Vorjahr 42% mehr Fälle mit dem Motiv Antisemitismus im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und Propaganda des verschwörungsideologischen Spektrums registriert wurden.

In den Jahren 2019 und 2020 liegen die dokumentierten Vorfälle hingegen näher an den Tendenzen des Jahres 2022, wobei sich viele der erfassten Vorfälle auf extrem rechte Propaganda und der Verherrlichung des Nationalsozialismus durch Schmierereien und Aufkleber beziehen.

Leider wurden im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 2021 keine Vorfälle im Zusammenhang mit Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderung dokumentiert, weil die Registerstelle Betroff ene nicht erreichte. Darüber hinaus kam es während des Jahres 2022 innerhalb der Registerstelle zu einem Personalwechsel. Auch dies hatte Einfl uss auf die gemeldeten und recherchierten Vorfälle.

Die Registerstelle sucht im neuen Jahr 2023 jedoch aktiv nach neuen und alten Kooperationspartnern. Gerade in diesem Punkt hoff en die Berliner Register auf das große Engagement aus der Zivilgesellschaft, sodass die Dunkelziff er sinkt und sich die Dokumentation von Vorfällen von Jahr zu Jahr verbessert.

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