Start des Register Charlottenburg-Wilmersdorf
Hier gibt es doch kein Naziproblem… so lautet eine weit verbreitete Annahme. Das Register Charlottenburg-Wilmersdorf geht dieser Frage auf den Grund: Es dokumentiert extrem rechte und diskriminierende Vorfälle in diesem Berliner Bezirk. Bürger*innen aus dem Bezirk melden dem Register solche Vorfälle. Hier werden sie gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht.
Das Register Charlottenburg-Wilmersdorf hat im Jahr 2013 seine Arbeit aufgenommen. Es kann an eine langjährige antifaschistische Chronikarbeit anknüpfen. Die Trägerschaft haben nun die SJD – Die Falken übernommen, die in der Charlottenburger Schloßstraße eine offene Jugendeinrichtung betreiben. Es wird 2014 durch Fördermittel der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen finanziert. Es kooperiert mit den Registern in anderen Berliner Bezirken, der Opferberatung ReachOut Berlin und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.
Das Register Charlottenburg-Wilmersdorf recherchiert rechte, rassistische, neonazistische und rechtspopulistische Vorfälle im Bezirk. Außerdem stehen Antisemitismus, Homo- und Transphobie, Feindlichkeit gegen Menschen mit Handicaps sowie die Diskriminierung von Wohnungslosen und sozial Benachteiligten im Blickfeld.
Das Register dokumentiert und analysiert Aktivitäten der extremen Rechten im Bezirksgebiet und macht Alltagsdiskriminierung sichtbar. Hierzu werden Vorfälle in eine Jahreschronik aufgenommen, die öffentlich bekannt werden, z.B. durch die Polizei, Zeitungen, im Internet oder bei Opferberatungen.
Für Anwohner*innen bietet das Register Charlottenburg-Wilmersdorf eine Anlaufstelle. Hier können sie auch Ereignisse melden, die aus verschiedenen Gründen nicht zur Anzeige gebracht werden. Beispiele sind rechte Aufkleber, Plakate, Flugblätter und Veranstaltungen. Oder Pöbeleien, Beleidigungen und Bedrohungen.
Das Register ist ein Sprachrohr und Unterstützerin für Betroffene. Indem die Vorfälle veröffentlicht werden und Beratungsangebote vermittelt werden, bleiben Betroffene nicht allein. Auf dieser Website hier findet sich eine Liste der Vorfälle. Sie wird wöchentlich aktualisiert.
Für demokratische Akteur*innen liefert das Register Handlungsgrundlagen gegen rechte, rassistische, antisemitische und homophobe Strukturen. Anwohner*innen können von der Arbeit des Registers profitieren und aktiv werden, wenn Rechte in ihrem Kiez auftreten oder Diskriminierung verhindert werden kann. Auch die Bezirkspolitik kann die Analysen aufnehmen und politisch reagieren.
Das Register Charlottenburg-Wilmersdorf liefert aber keineswegs ein vollständiges Bild: Es nimmt nur auf, was öffentlich bekannt oder direkt von Anwohner*innen gemeldet wird. Wenn in einem Ortsteil viele Vorfälle gemeldet werden, kann dies bedeuten, dass Anwohner*innen vor Ort sensibler sind – oder rechte Akteur*innen dort ihre Veranstaltungen öffentlich ankündigen und woanders nicht.
Diskriminierung muss auch nichts mit „Rechten“ zu tun haben: aktuelle Studien zeigen, dass extrem rechte Einstellungsmuster wie Antisemitismus (9 %), Rassismus (25 %) oder Chauvinismus (20 %) in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Ein geschlossen extrem rechtes Weltbild haben 9 % der Menschen in Deutschland. Dies hat die 2012 erschienene Studie Die Mitte im Umbruch (PDF, 839 kB) der Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt. Diskriminierung kommt also auch direkt aus der „Mitte der Gesellschaft“.