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11.05.2023 Register Lichtenberg

Rechtes Tatmotiv bei Brandanschlägen in Neu-Hohenschönhausen


Es ist ein Bild der gesprühten Parole "Say no to racism" auf Gehwegplatten zu sehen.

Seit Anfang 2022 wurden in Neu-Hohenschönhausen mindestens 20 Brände in Wohnhäusern gelegt. Ein mutmaßlicher Täter hatte laut Presseberichten am 3. August 2022 im Keller seines eigenen Wohnhauses, einem Elfgeschosser, ein Feuer entzündet. Im Oktober brannte es in einem Haus, in dem Geflüchtete untergebracht sind. Aus einem handschriftlichen Schreiben, das u.a. im Bürgerbüro eines CDU-Abgeordneten eingeworfen wurde, geht hervor, dass die Brandstiftungen ein rechtes Tatmotiv haben. In dem Drohschreiben wird dazu aufgefordert Geflüchtete nicht aufzunehmen und die Inflation zu stoppen. Würde den Forderungen nicht nachgekommen, würden Zivilisten sterben. Es wird neben den Bränden auch mit Kriegswaffen und Vergiftung gedroht. Einer der mutmaßlichen Täter befindet sich seit Dezember in Haft. Bei weiteren vier Tatverdächtigen soll es in den kommenden Monaten zu einer Anklage kommen. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai und am Morgen des 9. Mai wurden wieder zwei Brände in Wohnhäusern in dem Wohngebiet gelegt. Es ist also davon auszugehen, dass es sich nicht um einen Einzeltäter handelt.

Die Brände haben uns veranlasst, den Ortsteil Neu-Hohenschönhausen genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Wohngebiet Randowstraße/Vincent-van-Gogh-Straße, in dem die Brände gelegt wurden, sind seit Beginn 2020 ca. 20 Vorfälle dokumentiert worden. Propaganda, die dort erfasst wurde, konnte der „Identitäten Bewegung“, der NPD und den beiden extrem rechten Kleinstparteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“ zugeordnet werden. Die Vorfälle in diesem Wohngebiet lassen nur wenig Interpretation zu, außer, dass es sich nicht um einen Aktionsschwerpunkt der extremen Rechten handelt.

Das verändert sich, wenn wir auf den gesamten Ortsteil Hohenschönhausen-Nord blicken, in dem das Wohngebiet liegt. Mit 283 Vorfällen, die seit Januar 2020 dokumentiert wurden, weist er sehr viele Vorfälle auf. Bei 83 Prozent der Vorfälle handelt es sich um Propaganda. In 15 Fällen handelte es sich um Angriffe und in 23 um Beleidigungen und Bedrohungen, die zum Großteil rassistisch motiviert waren. Unweit des Wohngebietes Randowstraße/Vincent-van-Gogh-Straße wurden in der Nacht vom 5. auf den 6.8.2022 die Mülltonnen einer Jugendfreizeiteinrichtung angezündet. Am 18.1.2023 kam es zu einer weiteren Brandstiftung an einer Jugendfreizeiteinrichtung in der Gegend.

Neu-Hohenschönhausen fällt im Kontext des Monitorings extrem rechter Vorfälle seit mehr als 10 Jahren dadurch auf, dass es ein vergleichsweise hohes Potential extrem rechter Wahlstimmen gibt, das sich aber nicht in Organisierung in extrem rechten Strukturen widerspiegelt. In Teilen des Gebietes konnten die NPD, Pro Deutschland und aktuell die AfD zweistellige Wahlergebnisse erringen. Auf dem Höhepunkt der “Flüchtlingskrise” 2016 konnte die AfD hier das Direktmandat erringen. Im Kontext der Diskussion um den Zuzug von Geflüchteten ab 2014 war Neu-Hohenschönhausen das bezirkliche Zentrum geflüchtetenfeindlicher Mobilisierungen. In dem Gebiet, das auch durch einen hohen Anteil Bewohner*innen mit geringem Einkommen gekennzeichnet ist, verfingen sich in Diskussionen um individuelle Abstiegsängste, Sicherheit und Wohnungsnot rassistische Töne zum Bau von Flüchtlingsunterkünften im Kiez, befeuert durch regelmäßige “Nein zum Heim”-Demonstrationen.

Es ist davon auszugehen, dass diese Diskussionen und Stimmungen, die sich bis heute im Gespräch auf der Straße und in sozialen Medien forttragen, auch auf die Einstellungen der Täter ausgewirkt haben.

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