Lichtenberger Wahlauswertung: Stimmen für die extreme Rechte im Sinkflug
2023 hat das Lichtenberger Register vereinzelt Vorfälle im Kontext des Wahlkampfes erfasst: Am 20. Januar wurde ein Wahlhelfer der Linken im Weitlingkiez bedroht und angegriffen. Mehrere Männer zwischen 50-66 Jahren waren mit Fanartikeln des BFC Dynamo gekleidet, pöbelten nationalsozialistische Inhalte und schlugen dem jugendlichen Wahlhelfer auf die Hand. Weiter kam es zu vereinzelten Schmierereien an Wahlplakaten mit extrem rechtem Inhalt. Beispiele hierfür sind gefälschte Zitate auf den Plakaten der Grünen, ein gemalter Hitlerbart auf dem Plakat einer Abgeordneten der Linken oder der Schriftzug „Putin macht frei“ auf dem Wahlplakat der SGP (Sozialistische Gleichheitspartei).
Die Ergebnisse fielen insgesamt für alle Parteien am (extrem) rechten Rand – auch in Lichtenberg – ernüchternd aus: Die (extreme) Rechte hat weiter mit sinkenden Stimmen zu kämpfen.
Im Folgenden beziehen wir uns auf die Zahlen des Landeswahlleiters für Berlin zu den abgegebenen Stimmen in Lichtenberg (vorläufiges Ergebnis vom 13.02.2023). Demnach haben in Lichtenberg 197.377 Menschen eine Wahlberechtigung zur AGH-Wahl und davon 118.073 (59,8%) gewählt. Zur Wahl der BVV waren 215.556 Personen berechtigt, von denen 120.093 auch ihre Stimme abgaben (55,7%). Damit liegt die Wahlbeteiligung in Lichtenberg unter dem Berliner Durchschnitt.
In die Lichtenberger BVV werden einziehen (nach Höhe der Stimmen und Sitzanzahl sortiert): Die CDU, Die Linke, SPD, AfD, Grüne und die Tierschutzpartei.
Alternative für Deutschland (AfD)
Die AfD erhielt bei der AGH-Wahl 16.082 Zweitstimmen (13,8 %). Damit verzeichnet die AfD weitere Stimmverluste, wie schon bei den vorausgegangenen Wahlen 2021. Dies wird umso deutlicher im Vergleich zum Ergebnis der Wahl 2016, wo die AfD noch 24.002 Zweitstimmen bekommen hatte.
Bei der BVV-Wahl bekam sie 16.613 Stimmen, was 14% der abgegebenen Stimmen bedeutet und ihnen 8 Sitze in der BVV sichert. Sie ist damit viertstärkste Kraft im Bezirk.
Im Wahlkampf hatte die Partei berlinweit und auch in ihrer Wahlwerbung im Bezirk auf Themen wie „kriminelle Ausländer”, „härtere Strafen für Klimakleber”, das Markieren von „Versagerparteien” oder den Hinweis auf den „RBB-Sumpf” gesetzt. Die Wahlplakate waren stark präsent im Stadtbild.
Karsten Woldeit erzielte mit 20% der Erststimmen den zweiten Platz im Wahlkreis 1 (Neu-Hohenschönhausen, Falkenberg und Wartenberg), nachdem der vorherige Kandidat Kay Nerstheimer (heute NPD) noch 2016 mit 26% der Stimmen ein direktes Mandat für das AGH erhalten hatte. Vergleichbar mit anderen Bezirken zeigt sich bei der Verteilung der Stimmen für die AfD ein deutliches Gefälle mit höheren Ergebnissen am Stadtrand, lokal in Neu-Hohenschönhausen, wo sich Stimmbezirke mit über 25% Stimmenanteil bei der AfD finden und deutlich geringeren Stimmanteilen im Zentrum und Süden des Bezirks.
Die von Bernd Lucke, ein Gründer der AfD, initiierte LKR (Liberal-Konservative Reformer) erhielt zur AGH-Wahl 47 Zweitstimmen (0,0%). Bei der BVV-Wahl bekam sie noch 86 Stimmen (0,1%).
NPD
Der Sinkflug der NPD hat sich mit der Wahlwiederholung verstärkt: Sie erhielt aus Lichtenberg nur noch 187 Zweitstimmen (0,2) bei der AGH-Wahl. Wichtig hierbei zu beachten ist, dass sie Berlinweit 1.589 Zweitstimmen bekam. Von der NPD-Hochburg ist die Partei damit im Bezirk Lichtenberg weit entfernt. Lediglich im Wahlkreis 1 trat die NPD mit einem Direktkandidaten an, Kay Nerstheimer. Im Wahlkampf war sie kaum sichtbar. So wurden der Registerstelle bislang nur Wahlplakate der NPD in der Rhinstraße Höhe Meeraner Straße gemeldet.
Bei der Lichtenberger BVV-Wahl bekam die NPD noch 216 Stimmen, während es 2016 1.291 Stimmen gewesen sind. Mit 0,2% der Stimmen kann die NPD weiterhin nicht in die BVV einziehen.
DieBasis
DieBasis erhielt aus Lichtenberg 592 Zweitstimmen (0,5%) zur AGH-Wahl von Lichtenberger Wähler*innen. Für die BVV erhielt die Partei 877 Stimmen (0,7%). Sie warb unter anderem mit Themen wie Impfkritik und kann daher als zentraler parteiförmiger Akteur für Interessen des Querdenken-Milieus gesehen werden. Von daher ist die geringe Stimmzahl für diese Partei auch ein Hinweis darauf, dass diese Themen kaum noch zur Stimmabgabe mobilisieren.
Der III. Weg
Noch 2021 war die neonazistische Kleinstpartei “Der III. Weg” zur Bundestagswahl angetreten. Zur Wiederholungswahl trat sie weder auf Landes- noch auf Bezirksebene an. Dies unterstreicht den Eindruck, dass diese Gruppierung die Form der Partei lediglich zum Schutz der eigenen Organisation nutzt, jedoch nicht primär an parlamentarischer Arbeit interessiert ist. Im gesamten Bezirk wurden in den vergangenen Wochen Propagandamaterialien wie Flugblätter oder Sticker verteilt und verklebt. Obwohl “Der III. Weg” nicht zur Wahl angetreten ist, ist er die aktuell bedeutendste extrem rechte Gruppe mit Aktivitäten im Bezirk.