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11.04.2024 Register Pankow

Jahresauswertung Pankower Register 2023


Für den Bezirk wurden im Jahr 2023 insgesamt 394 Vorfälle aufgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr war somit die Zahl der Vorfälle weitestgehend gleich (2023: 394, 2022: 387, 2021: 343). Wichtige Ereignisse im Bezirk waren der vermeintlich rassistische Brandanschlag in Blankenburg, bei dem eine Frau starb, die Zunahme von LGBTIQ*feindlichen Vorfällen, der Strategiewechsel der extremen Rechten (III. Weg), eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen nach dem 7. Oktober sowie das Urteil bei dem Prozess zum rassistischen Angriff auf Dilan S.

Massive Sprühereien und vermeintlich rassistischer Brandanschlag in Blankenburg

Am 25. Januar 2023 brannte in der Nähe des S-Bahnhof Blankenburg ein Haus, in dem geflüchtete und obdachlose Menschen untergebracht waren. Die Bewohner*innen des Hauses konnten evakuiert werden, jedoch starb eine Frau aus Syrien zwei Wochen später an den gesundheitlichen Folgen, die durch den Brand verursacht wurden. Nach dem Tod der Frau, die sechs Kinder hatte, erregte der Vorfall größere regionale und überregionale Aufmerksamkeit. Es wurde vermutet, dass es sich um einen rassistischen Brandanschlag handelte und Aktivist*innen machten auf diesen Umstand u.a. mit einer Kundgebung aufmerksam. Bis jetzt konnte die Vermutung eines rassistischen Motivs für den Brandanschlages nicht bestätigt werden. Vielmehr scheint es wahrscheinlich, dass eine andere Ursache den Brand auslöste. Ganz ausgeschlossen werden, kann die Vermutung jedoch nicht, weil extreme Rechte im Ortsteil aktiv sind. In den letzten Jahren wurden vermehrt rassistische Aufkleber und Schmierereien gegen antifaschistisches Engagement im Ortsteil Blankenburg erfasst. Seit 2020 gab es immer wieder selbstgemachte Aufkleber, die sich auf rassistische Weise gegen Schwarze Menschen äußerten. Ebenso wurde seit 2022 eine hohe Zahl an Schmierereien gegen Antifaschismus getätigt. Die Meldungen von Propaganda-Vorfällen nahmen seit der Eröffnung eines Büros der AfD im Ortsteil nur leicht zu (2023: 15, 2022: 12, 2021: 16).

Zunahme von LGBTIQ*Feindlichkeit im Bezirk

Seit 2020 ist ein Anstieg der LGBTIQ*-Feindlichkeit in Pankow zu verzeichnen, die sich in eine berlinweite Entwicklung einreiht. Die Zahlen im Bezirk haben sich mehr als verdoppelt (2023: 34, 2022: 14). Darunter 7 Angriffe (2022: 3), 8 Beleidungen und Bedrohungen (2022: 7) und 19 Propagandavorfälle (2022: 3). Ca. die Hälfte der Vorfälle ereignete sich im Sommer. Zu dieser Jahreszeit sind mehr Menschen draußen unterwegs, treffen sich in Parks und vor Cafés und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass queere Menschen auf andere treffen, die ihnen gegenüber feindlich gesinnt sind. Unter dem Hashtag „Stolzmonat“ wandte sich die extreme Rechte im Juni in Sozialen Medien und mit Aufklebern auf der Straße gegen den Pride-Monat, der weltweit dafür genutzt wird, um für die Gleichberechtigung queerer Menschen zu demonstrieren. Die zunehmende Sichtbarkeit von Menschen aus der LGBTIQ*-Community hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sie vermehrt angegriffen wurden und diese Vorfälle an das Pankower Register gemeldet haben. Über dieses Themenfeld konnte das Register neue Kontakte knüpfen und Kooperationspartner*innen gewinnen. Der Anstieg der LGBTIQ*-feindlichen Gewalt ist nicht auf Pankow oder Berlin beschränkt, sondern wird bundesweit beobachtet.

„Der III. Weg“ – viel Propaganda und Einschüchterungsversuche

Die extrem rechte Partei „Der III. Weg“ ist in Pankow mit ca. 100 Vorfällen, die ihr zugerechnet werden können, zentraler Akteur im neonazistischen Milieu. Gerade die Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) ist bereits in den Jahren zuvor immer wieder durch verschiedene Aktionen aufgefallen. Diese konzentrierten sich bisher auf das Kleben von Aufklebern und Plakaten oder das Sprühen einzelner Graffities. Vereinzelt kam es vor Schulen im Prenzlauer Berg oder in Weißensee zu Verteilaktionen von Visitenkarten, um auf die Jugendorganisation aufmerksam zu machen. 2023 nahmen Einschüchterungsversuche dieses Spektrums gegenüber Menschen, die als migrantisch oder links wahrgenommen wurden zu. Am 1. Juli bedrohten extrem Rechte (u.a. vom III. Weg) vor dem Freibad Pankow Menschen, die sie als Migrant*innen ansahen. Im Herbst kam es im Anschluss an eine antifaschistische Demonstration zu einer direkten Konfrontation mit vermeintlichen politischen Gegner*innen. Diese beiden Ereignisse sind Beispiele dafür, dass sich die Aktionsformen des „III. Wegs“ radikalisiert haben: vom Kleben von Aufklebern und Plakaten, Foto-Aktionen für Social-Media, hin zur offenen Gewalt, Bedrohung und Beleidigung von Migrant*innen und politischen Gegner*innen der extremen Rechten.

Antisemitische Vorfälle steigen nach dem 7. Oktober in Pankow

Die Zahl der antisemitischen Vorfälle war im Bezirk Pankow und allen anderen Berliner Bezirken das Jahr 2023 über rückläufig. Nachdem die antisemitischen Äußerungen, die im Zuge der Corona-Proteste angestiegen waren, abnahmen, nahmen auch die Vorfälle ab. Das änderte sich schlagartig mit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober in Israel, bei dem knapp 1.200 Menschen ermordet wurden. Waren bis Oktober lediglich 12 Vorfälle verzeichnet worden, ereigneten sich im letzten Quartal des Jahres insgesamt 27 Vorfälle, darunter ein Angriff und drei Beleidigungen/ Bedrohungen. Zudem wurde eine Vielzahl von Plakaten, auf denen die Geiseln der Hamas abgebildet waren, zerstört und abgerissen. Plakate, die an das Novemberpogrom von 1938 erinnerten, wurden vor dem unabhängigen Jugendzentrum JUP unkenntlich gemacht und abgerissen. Außerdem wurden um den 9. November herum, Davidsterne an Hauswände oder Privatwohnungen gesprüht, die als Markierung von jüdischen Menschen und Geschäften wahrgenommen wurden. Diese Symbolik sollte bewusst Traumata an die Verfolgung von jüdischen Menschen im Nationalsozialismus wecken. Das Sprühen der Davidsterne bleibt ungewöhnlich. In knapp 20 Jahren Dokumentationsarbeit der Registerstellen ist diese Symbolik im Zusammenhang mit dem 9. November nicht vorgekommen. Es wurden Stolpersteine zerstört, Gedenkstätten beschmiert, antisemitische Parolen, die einen eindeutigen Bezug zum NS hatten, gesprüht, jüdische Symbole beschädigt, jüdische Menschen angegriffen, aber noch nie zuvor wurden am 9. November Davidsterne an beliebige Hauswände gesprüht. An dieser Stelle muss zumindest erwähnt werden, dass es sich um Manipulationsversuche aus Russland handeln könnte, die auf eine starke Emotionalisierung bei Betroffenen von Antisemitismus abzielen.

Urteil im Prozess um rassistischen Angriff auf von Dilan S.

Am 5. Februar 2022 wurde eine junge Frau, Dilan S., an der Straßenbahnhaltestelle Greifswalder Straße im Prenzlauer Berg aus rassistischen Gründen von einer Gruppe von älteren Männern und Frauen beleidigt und körperlich angegriffen. Dem Angriff war eine kurze verbale Auseinandersetzung vorangegangen. In der ersten Pressemitteilung der Polizei hieß es damals, Dilan S. hätte keine Maske getragen und sei deshalb zusammengeschlagen worden. Eine Stellungnahme von Dilan S. auf Social Media, Zeugenaussagen und Videos des Vorfalls machten deutlich, dass die junge Frau aus rassistischer Motivation angegriffen worden war. Der Fall erreichte durch die beispielhafte Täter-Opfer-Umkehr eine große mediale Öffentlichkeit. Zu Jahresbeginn 2023 wurde der Prozess gegen die sechs Angreifer*innen geführt. Auch im Prozess stellte der Richter den rassistischen Hintergrund trotz Belegen mehrfach in Frage und wollte von der Betroffenen wissen, warum sie angegriffen worden sei. Die Staatsanwaltschaft stützte im Gegensatz dazu die Darstellung von Dilan S. Vier der sechs Beschuldigten wurden zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt, zwei freigesprochen. Dass es zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommen kann, ist bei rassistischen Gewalttaten nicht selten, Sie schreckt Menschen davon ab, ihre Gewalterfahrungen zur Anzeige zu bringen.


Quelle: www.reachoutberlin.de/de/Aktuelles/Ver%C3%B6ffentlichungen/Pressemitteilung/Pressemitteilung/ 

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