Halbjahresbericht der Berliner Register erschienen
397 Vorfälle im ersten Halbjahr 2021. Das sind beinahe so viele wie im gesamten Jahr 2020, in dem 421 Vorfälle gemeldet wurden. Darum stellt sich nun die Frage: Warum ist das so? Für den drastischen Anstieg der gemeldeten Vorfälle gibt es mehrere Gründe:
Der Wahlkampf beginnt. Das hat in diesem Jahr merklich die extreme Rechte aktiviert: Der „III. Weg” ist mit Wahlständen, Propaganda-Touren und Aktionen 63-mal aufgefallen und auch die NPD verteilt wieder aktiver Propaganda (31 Vorfälle).
Ein weiterer Grund für die drastische Zunahme der Meldungen ist die steigende Präsenz von Propaganda im Straßenbild. Alleine 358 der registrierten Vorfälle im ersten Halbjahr fallen in diese Kategorie, in der neben Aufklebern auch Plakate oder Schmierereien aufgenommen werden. Hier haben sich die Meldungen im Vergleich zum Halbjahr 2020 quasi verdreifacht.
Zudem hat sich die Zählung der Propaganda-Vorfälle beim Lichtenberger Register im Jahr 2021 geändert. Ab Januar 2021 haben wir auch Vorfälle mit einem bis vier Aufklebern in die Chronik aufgenommen. Damit nähert sich das Lichtenberger Register der Zählung der meisten anderen bezirklichen Registerstellen an, bei denen auch einzelne Aufkleber dokumentiert werden. Zuvor hatten wir erst Stickerrouten ab fünf Aufklebern dokumentiert. Die neue Zählweise führt jedoch – gegenüber der Zählung in den letzten Jahren – auch zusätzlich zu einem Anstieg der dokumentierten Meldungen. Zum Vergleich: Mit der alten Zählung hätte das Register für das erste Halbjahr 2021 278 dokumentiert, mit der neuen Zählung sind es 396 Vorfälle. Es sind also 117 Propaganda-Vorfälle dazu gekommen, bei denen ein bis vier Sticker gemeldet wurden. Doch selbst 278 Vorfälle sind sehr viel - im gesamten Jahr 2019 wurden 258 Vorfälle registriert. In der ersten Jahreshälfte von 2020 waren 146 Vorfälle (2019: 118) gemeldet worden, womit es zu einen Anstieg von 58% der Meldungen nach alter Zählung und sogar um 124% nach neuer Zählung gekommen ist. Der Anstieg der Meldungen kann also nicht alleine auf die neue Zählweise zurückgeführt werden, sondern geht auch auf gesteigerte Propaganda-Aktivitäten von extrem rechten Akteur*innen zurück.
Corona als Thema der extrem rechten Propaganda: Extrem rechte Akteur_innen besetzen zunehmend die Kritik an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. In die Chronik haben es 37 Vorfälle mit Corona-Bezug geschafft: die entweder von Organisationen der extremen Rechten herausgegeben wurden – oder aber in denen antisemitische oder NS-verharmlosende Inhalte in den Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gebracht wurden. Im gesamten letzten Jahr zählten wir nur acht Meldungen mit Corona-Bezügen.
Weitere 62 Meldungen wurden übrigens nicht in die Chronik aufgenommen, die zwar die Corona-Pandemie leugnen, dazu aufrufen, die Maskenpflicht nicht einzuhalten, der Presse oder Wissenschaft nicht zu glauben – jedoch nicht in die Kategorien der Registerstellen passen. Dies zeigt, dass es sich hierbei um ein im öffentlichen Raum stark präsentes Thema handelt, welches wir weiter beobachten werden.
Zudem nimmt der Anteil an Aufkleber zu, die über extrem rechte Online-Versände vertreiben werden. Besonders häufig sind Aufkleber des Onlineversands „Politaufkleber“, der offenbar viele Einzelpersonen erreicht (47 Vorfälle). Die Aufkleber fallen insbesondere durch rassistische Motive auf, jedoch wurde in den letzten Monaten auch vermehrt das Thema Corona und Impfungen aufgegriffen. Die online bestellten Aufkleber werden dabei teilweise täglich in größerer Stückzahl auf den immer gleichen Routen angebracht.
Zu guter Letzt gibt es in Lichtenberg viele engagierte Menschen, die extrem rechte und diskriminierende Propaganda aus dem Straßenbild entfernen und an das Register melden. Die Zahl dieser Engagierten steigt von Jahr zu Jahr. So wurden beispielsweise aus Alt-Höhenschönhausen mehr Vorfälle gemeldet als im vergangenen Jahr. Viele Aktive und Melder_innen zusammen helfen dabei, extrem rechte oder diskriminierende Propaganda aus dem Straßenbild zu entfernen und das Dunkelfeld solcher Vorfälle weiter auszuleuchten.