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01.10.2025 Koordinierung der Berliner Register

Extrem rechte Jugendkultur in Berlin


Zugenommene Angriffe und Bedrohungen

Seit Anfang 2024 wurden bereits 19 Angriffe durch jugendliche Neonazis dokumentiert. Diese richteten sich vorrangig gegen Menschen, die sie als politische Gegner*innen ausmachten (Antifaschist*innen, queere Menschen, Politiker*innen oder Journalist*innen), vier Angriffe waren rassistisch motiviert. Viele Vorfälle ereigneten sich bei Demonstrationen oder auf den An- und Abreisewegen, fast immer im öffentlichen Raum, überwiegend von männlichen Gruppen am Nachmittag oder Abend verübt. Schon Mitte 2025 ist das Vorjahresniveau erreicht. Auch die Zahl der Bedrohungen stieg deutlich an. Die Berliner Register dokumentierten seit Anfang 2024 mehr als 99 Vorfälle, über die Hälfte zielten auf politische Gegner*innen, ein Viertel waren rassistische Bedrohungen und Pöbeleien, bei einem weiteren Viertel der dokumentierten Fälle wurde der Nationalsozialismus verherrlicht.

Im Schulterschluss mit der organisierten Rechten? „NRJ“ und „DJV“

Die Szene extrem rechter junger Personen in Berlin ist stark ausdifferenziert: Das Spektrum reicht von unorganisierten Jugendlichen mit extrem rechten Einstellungsmustern, die an subkulturellen Ausdrucksformen und Aktionen teilnehmen, über lose organisierte Gruppierungen und Zusammenschlüsse bis hin zu fest etablierten, strukturierten Organisationen der extremen Rechten. Die „Nationalrevolutionäre Jugend“, kurz „NRJ“, tritt als Jugendorganisation der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ auf. Aktuell fällt die „NRJ“ mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Einschüchterungsversuchen, körperlicher Gewalt und offenen Kampfsporttrainings auf. Seit 2021 ist vor allem in Ostberlin, insbesondere in Marzahn-Hellersdorf, ein deutlicher Anstieg an Vorfällen mit Bezug zu „Der III. Weg“ und der „NRJ“ zu beobachten.

Im Sommer 2024 kam es am Bahnhof Ostkreuz zu einem organisierten Überfall auf eine Gruppe von Menschen. Rund zwei Dutzend Neonazis traten mit Schlagwerkzeugen und Pfefferspray auf und verletzten die Wartenden. Dass Gewalt für diese Gruppierung nicht nur zum Repertoire gehört, sondern gezielt eingeübt wird, zeigen die regelmäßigen Kampfsporttrainings in Pankow, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Dort werden junge Mitglieder unter Anleitung erfahrener Kader systematisch für gewaltsames Vorgehen geschult.

Im März 2025 wurde entlang der Demonstration von „Der III. Weg“ ein Pressevertreter rassistisch beleidigt und angegriffen. Im Sommer 2024 trat die „DJV“, ähnlich wie die zeitgleich entstandene Gruppe „Jung&Stark“ (JS), mit offenen Vernetzungstreffen u.a. im Humboldthain in Erscheinung. Während im Jahr 2024 zunächst von lockeren, überregional vernetzten Zusammenhängen gesprochen werden konnte, deuten aktuelle Entwicklungen zunehmend auf die Etablierung gefestigter, kameradschaftsähnlicher Strukturen sowie eine Anbindung an organisierte extrem rechte Strukturen, insbesondere an die Partei “Die Heimat”, hin. Mehrfach beteiligten sich die Personen an Angriffen auf CSDs und linke Veranstaltungen, unter anderem im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

Zielscheiben rechter Gewalt: Queers, Antifaschist*innen, People of Color

Die Vorfallszahlen der Berliner Register zeigen: Zur Zielscheibe der Gewalt extrem rechter Jugendgruppen werden Personen, die als links, queer oder migrantisch wahrgenommen werden. Dabei lässt sich einerseits beobachten, dass die Betroffenen scheinbar zufällig ausgewählt werden, etwa bei Begegnungen im öffentlichen Nahverkehr und insbesondere im Umfeld von Veranstaltungen wie CSDs oder extrem rechten Demonstrationen. Gleichzeitig berichten Betroffene aber auch von anhaltenden Bedrohungslagen über einen längeren Zeitraum. Dabei geht es nicht nur um spontane Ausbrüche, sondern um bewusste Einschüchterungen mit dem Ziel, Personen in ihrem Alltagsleben einzuschränken. Ein Beispiel hierfür ist der Fall eines Schülers aus Hohenschönhausen, der über Monate hinweg bedroht wurde.

Fazit

Die rechte Gewalt ist Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins.Gruppen junger Neonazis bewegen sich zunehmend im Ostberliner Raum, kleben oder sprühen Propaganda, stellen ihre Gewaltbereitschaft zur Schau, bedrohen alternative Orte oder greifen Menschen aktiv an.Diese Strukturen entwickeln sich zunehmend organisiert, professionalisiert und strategisch gewaltorientiert. Gruppen wie die „NRJ“ und die „DJV“ knüpfen an etablierte Strukturen an, nutzen jugendkulturelle Ausdrucksformen und gewinnen dadurch Anschlussfähigkeit. Gleichzeitig nimmt die Sichtbarkeit neonazistischer Symbolik im öffentlichen Raum zu, was die Bedrohungslage für viele Menschen verschärft. Die steigende Zahl von Vorfällen zeigt, dass es sich um ein wachsendes gesellschaftliches Problem handelt. Ein wirksamer Umgang erfordert langfristige Strategien, die Dokumentation und Analyse der Vorfälle ebenso wie Unterstützung der Betroffenen und die Stärkung lokaler Initiativen. Nur durch gemeinsames Handeln lässt sich der wiedererstarkten rechten Jugendkultur begegnen.

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