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12.10.2022 Register Marzahn-Hellersdorf

Beitrag des Registers Marzahn-Hellersdorf zum Jahresbericht 2021 der Registerstellen


Zwei Broschüren des Jahresberichts 2021 werden angezeigt

Der Bezirk

Am östlichen Rand von Berlin liegt Marzahn-Hellersdorf. Der Bezirk zählt knapp 280.000 Einwohner*innen und weist in seinen Regionen (Marzahn-Nord, Marzahn-Mitte, Marzahn-Süd, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf, Hellersdorf-Nord, Hellersdorf-Ost und Hellersdorf-Süd) eine sehr heterogene Struktur der Bewohner*innen auf.

Neben dem größten zusammenhängenden Plattenbaugebiet Europas ist Marzahn-Hellersdorf mit den „Gärten der Welt“ einer der grünsten Berliner Bezirke. Ebenfalls gibt es eine der größten Einfamilienhaussiedlungen. Seit Jahren gibt es im Bezirk eine aktive extrem rechte Szene, die zwischen 2013 und 2015 ein vergleichsweise hohes Mobilisierungspotenzial mit rassistischen Themensetzungen aufweisen konnte. Die Zahl der gemeldeten Vorfälle ist mit 252 im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 60% (98 Vorfälle) gestiegen. Diese Entwicklung ist in erster Linie Folge des Anstieges der registrierten Propaganda-Vorfälle.

Es wird eine Karte mit den Ortsteilen in Marzahn-Hellersdorf angezeigt. Auf den Ortsteilen sind Balken mit der Anzahl der Vorfälle für die Jahre 2020 und 2021 zu sehen. Die Anzahl der Vorfälle im Bezirk ist von 252 im Jahr 2020 auf 241 im Jahr 2021 leicht gesunken. Die meisten Vorfälle hat demnach Marzahn-Mitte mit 60, im Vorjahr 45. Es folgt Hellersdorf-Nord mit 52, im Vorjahr 63. Hellersdorf-Süd und Marzahn-Süd weisen beide 26 Vorfälle auf, im Vorjahr verzeichneten sie 24 und 22 Vorfälle. Marzahn-Nord weist 17 Vorfälle auf, im Vorjahr waren es 5. Es folgen Biesdorf mit 16 Vorfällen, im Vorjahr 13, Hellersdorf-Ost mit 13 Vorfällen, im Vorjahr 18, Kaulsdorf mit 8 Vorfällen, im Vorjahr 3 und Mahldorf mit 4 Vorfällen, im Vorjahren waren es 5. Vorfälle bei denen der Ortsteil unbekannt blieb, wurden 8 erfasst, im Vorjahr 15. Im Internet wurden 2021 11 Vorfälle erfasst. Im Vorjahr waren es 15.

Marzahn-Hellersdorf im Jahr 2021

Die Zahl der gemeldeten Vorfälle in Marzahn-Hellersdorf ist mit 241 im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr (252 Vorfälle), trotz neuer Meldestellen, relativ konstant geblieben. Für diese Entwicklung sind in erster Linie zwei Ursachen zu nennen: Zum einen leben einige zentrale Akteure der extremen Rechten inzwischen nicht mehr Bezirk bzw. haben ihre Aktivitäten in andere Regionen, wie Mitte, Pankow oder Brandenburg verlagert. Zum anderen spiegeln sich die pandemiebedingten Einschrän-kungen des öffentlichen Lebens wider. Ab Herbst 2021 nahm die Anzahl der Meldungen erheblich zu (92 Vorfälle von September bis Jahresende). Dies steht vor allem im Zusammenhang mit der verstärk-ten Präsenz der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“.

Auswertung nach Art der Vorfälle

Insgesamt ist die Zahl der gemeldeten Angriffe (2020: 17; 2021: 11), Bedrohungen/ Beleidigungen/ Pöbeleien (2020: 33; 2021: 26) sowie Propaganda (2020: 186, 2021: 164) im Gesamtjahr 2021 gesunken. Der Rückgang der Zahlen hat unterschiedliche Ursachen. In Bezug auf Gewalttaten gibt es berlinweit eine Untererfassung (siehe Kasten S. 6). Außerdem war die NPD weniger aktiv. Es fanden pandemiebedingt antifaschistische Protest-Veranstaltungen statt, bei denen es nicht so häufig wie in der Vergangenheit zu direkten Konfrontationen mit Neonazis kam. Die extreme Rechte im Bezirk versuchte weiterhin bei den Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf Mitstreiter*innen zu treffen. Die Akteur*innen dieser Proteste im Bezirk sind nicht Teil der rechten Szene, haben aber teilweise Sympathien mit dieser.

Zugenommen hat hingegen die Anzahl der Sachbeschädigungen (2020: 5; 2021: 11). So wurden rund um das Mahnmal für ehemalige NS-Zwangsarbeiter*innen am Wuhlewanderweg in Biesdorf ab Herbst 2021 mehrfach LGBTIQ*-feindliche und NS-verherrlichende Schmierereien festgestellt. Weiterhin kam es wiederholt zu Sprühereien neonazistischer Symboliken in Hellersdorf.

Ebenso waren mehr Vorfälle struktureller Benachteiligung in Schulen und behördlichen Institutionen zu verzeichnen (2020: 4; 2021: 10). Das hauptsächliche Motiv für die dokumentierten Vorfälle von struktureller Benachteiligung war Rassismus. Diese Fälle stammen aus anonymisierten Daten von Beratungsstellen aus dem Bereich Antidiskriminierung, die den Registerstellen zur Verfügung gestellt werden.

Ein erheblicher Anstieg ist bei der Anzahl extrem rechter und verschwörungsideologischer Veranstaltungen im Bezirk zu verzeichnen. Sowohl im Wahlkampf 2021 als auch darüber hinaus, wurden mehrere Informationsstände extrem rechter Parteien („Der III. Weg“, NPD) festgestellt. Zudem fanden zeitweise wöchentlich verschwörungsideologische Autokorsos und Versammlungen statt, in deren Rahmen es zu Bedrohungen politischer Gegner*innen sowie antisemitischen und NS-verharmlosenden Aussagen kam. An den Versammlungen beteiligten sich teilweise auch neonazistische Akteur*innen aus dem Bezirk.

Auswertung nach Inhalt der Vorfälle

Der Wahlkampf zum Bundestag, zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksparlamenten (BVV) sowie die vermehrten Aktivitäten der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ spiegeln sich auch in der inhaltlichen Zuordnung der Vorfälle wider. Vor allem die Selbstdarstellung rechter Akteurinnen und Akteure ist angestiegen (2020: 52; 2021: 68), beispielsweise durch Sticker, die extrem rechte Organisationen bewarben. Weiterhin hoch sind die Zahlen NS-verharmlosender und -verherrlichender Vorfälle (2020:69; 2021:49). Neben Schmierereien extrem rechter Zahlencodes (z.B. „88“, was als Abkürzung für den achten Buchstaben im Alphabet, also „Heil Hitler“, benutzt wird) und Hakenkreuzen sind viele dieser Vorfälle auf verschwörungsideologische Versammlungen und Propaganda zurückzuführen. In diesem Zusammenhang wurden auch einige antisemitische Vorfälle dokumentiert (2020:10; 2021:11).

Die Anzahl gemeldeter rassistischer Vorfälle ist hingegen zurückgegangen (2020: 78; 2021: 58). Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass es eine Untererfassung von angezeigten Straftaten für das Jahr 2021 gab (siehe Kasten S. 6). Das Thema Rassismus ist weiterhin relevant, wie beispielsweise die vermehrte rassistische Propaganda nach dem Neubezug von Unterkünften für afghanische Geflüchtete im Bezirk zeigt. Dass Rassismus als Thema anschlussfähig ist, haben die Mobilisierungen gegen Geflüchtetenunterkünfte Mitte der 2010er Jahre gezeigt. Damals demonstrierten wöchentlich bis zu 1000 Menschen gemeinsam mit Neonazis im Bezirk.

Die neu von den Berliner Registern eingeführte Vorfallskategorie „Antifeminismus“ weist drei Vorfälle im Bezirk im Jahr 2021 auf. Neben antifeministischer Propaganda wurden zwei Bedrohungen/Beleidigungen/Pöbeleien im Rahmen einer Versammlung am „Tag gegen Gewalt an Frauen“ durch zwei Männer festgestellt. Die vergleichsweise niedrigen Zahlen im Bereich Antifeminismus hängen wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die neue Kategorie noch nicht so stark im Bewusstsein der Melder*innen verankert ist. Leicht zugenommen haben Meldungen LGBTIQ*-feindlicher Vorfälle. Neben den oben erwähnten wiederholten Schmierereien in Biesdorf war ein Vorfall in einem Marzahner Krankenhaus besonders erschütternd. Dort wurden heimlich Bilder einer schwerverletzten trans Frau aufgenommen, die kurz darauf an den Folgen ihrer Verletzungen verstarb. Die Bilder sind anschließend in sozialen Netzwerken veröffentlicht worden. Das Ablichten und das Teilen der Bilder nahmen der Verstorbenen ihre Menschenwürde.

Auswertung nach Ort der Vorfälle

Wie schon in den Vorjahren fanden nahezu alle dokumentierten Vorfälle, unabhängig von Art und Inhalt, im Jahr 2021 im öffentlichen Raum statt. Lokale Schwerpunkte der Meldungen im Gesamtbezirk Marzahn-Hellersdorf sind weiterhin in den Großsiedlungen in Hellersdorf-Nord (2020: 63; 2021: 52) und Marzahn-Mitte (2020: 45; 2021: 60). Dies dürfte u.a. daran liegen, dass in diesen Regionen eine höhere Bevölkerungsdichte herrscht und die öffentliche Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV etc.) engmaschiger ist, wodurch mehr Vorfälle beobachtet und gemeldet werden können. In Marzahn-Mitte sind 2021 die meisten Vorfälle zu verzeichnen. Zugleich haben sich die Vorfallsmeldungen in Marzahn-Nord mehr als verdreifacht (2020: 5; 2021: 17). In Marzahn-Mitte befindet sich das EASTGATE-Einkaufscenter, die BVV hat ihren Sitz hier und im Wohngebiet um den Blumberger Damm war die extrem rechte Kleinstpartei „Der III. Weg” besonders aktiv.

In Marzahn-Nord sind zum einen neue Menschen hinzugekommen, die Vorfälle melden, zum anderen starteten von dort vier Autokorsos. Von den 52 gemeldeten Vorfällen in Hellersdorf-Nord, hierzu gehört zum Beispiel die Helle Mitte, sind allein 15 der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ zuzuordnen, in Marzahn-Mitte sogar 20 von 60. In Hellersdorf Ost und Süd sind die Vorfallsmeldungen hingegen gesunken (Ost 2020:18; 2021:13; Süd 2020:48; 2021:26). Die bezirklichen Siedlungsgebiete (Kaulsdorf, Mahlsdorf, Biesdorf), in denen größtenteils Einfamilienhäuser stehen, weisen im Vergleich zu den Großsiedlungen niedrigere Fallzahlen auf.

Zusammenfassung & Ausblick

Die Entwicklungen im Jahr 2021 zeigen, dass sich extrem rechte Akteurinnen und Akteure im vergangenen Jahr vor allem auf die Corona-Pandemie als ihr maßgebliches Thema sowie ihre Selbstpräsentation fokussiert haben. Entsprechende rechtsoffene und rechte Versammlungen fanden verstärkt als bezirkliche Autokorsos statt. Akteure aus Marzahn-Hellersdorf beteiligten sich auch in anderen Bezirken, z.B. im Berliner Regierungsviertel an solchen Veranstaltungen. Nicht alle verschwörungslogischen Versammlungen und Propaganda-Vorkommnisse wurden im Jahr 2021 als Vorfälle veröffentlicht, da sie teilweise keine explizit diskriminierenden oder extrem rechten Bezüge aufzeigten.

Nichtsdestotrotz zeigen sich in verschwörungsideologischen Kreisen deutliche rechtsoffene Tendenzen sowie zunehmend antidemokratische Einstellungen. Im Frühjahr und Sommer des vergangenen Jahres ist die Gesamtanzahl der gemeldeten Vorfälle im Jahresvergleich gesunken. Ab Herbst 2021 nahmen die extrem rechten und diskriminierenden Vorfälle im Bezirk allerdings erheblich zu, was neben dem Wahlkampf vor allem mit der erhöhten Präsenz der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ einherging (59 Meldungen stehen im Zusammenhang mit der Partei). „Der III. Weg” ist nicht zu den Wahlen angetreten, etabliert aber im Marzahn-Hellersdorf als Sammelbecken für Neonazis, die aktionsorientiert sind.

Die meisten Vorfälle wurden in Marzahn-Mitte (60) und Hellersdorf-Nord (52) registriert. Beide Bezirksregionen waren Schwerpunkte von (extrem) rechten und verschwörungsideologischen Parteien im Wahlkampf 2021.

Die konstant hohe Anzahl der gemeldeten Vorfälle zeigt weiterhin Handlungsbedarf für demokratische Akteurinnen und Akteure im Bezirk auf. Eine besondere Herausforderung für die lokale Zivilgesellschaft und die Lokalpolitik sind öffentliche Polemiken und Anfeindungen gegen demokratisch engagierte Menschen und Institutionen, die von extrem rechten Parteien ausgehen. In den vergangenen Jahren sind neue Bündnisse und Initiativen im Bezirk entstanden, die sich gegen neonazistische und extrem rechte Entwicklungen engagieren. Sie tragen zur Dokumentation von Vorfällen im Register bei. Dass weiterhin Handlungsbedarf besteht, zeigen die Aktivitäten der Partei “Der III. Weg” und die hohe Zahl der rassistischen Vorfälle.

Beispielvorfäll

1. Juli 2021

Ein AfD-Abgeordneter aus Marzahn-Hellersdorf hat die Teilnehmenden einer LGBTIQ*-Parade in Marzahn gefilmt und anschließend in einem Video im Internet diffamiert.

Er behauptet in diesem Video, die Veranstaltung sei von „Linksextremen“ organisiert und würde sich in Wirklichkeit „gegen die Rußlanddeutschen“ in Marzahn-Hellersdorf richten, indem behauptet werde, diese seien homofeindlich. Weiterhin behauptet der AfD-Abgeordnete, es handle sich um einen „Krawallmarsch“. Gleichzeitig sagt er, die „wahre Bedrohung“ für LGBTIQ* käme von „Moslems“.

Quelle: Register ASH

1. August 2021

In Marzahn wurde eine Gedenktafel zerstört, die zum Gedenken an einen ermordeten Mann aus Vietnam in der Nähe des Tatorts angebracht wurde.

Quelle: Register ASH

30. September 2021

Auf einem Supermarktparkplatz in Kaulsdorf wurde eine Person von einem Autofahrer behindertenfeindlich beleidigt.

Quelle: Augenzeug*in / Register Marzahn-Hellersdorf

24. November 2021

Eine kürzlich reaktivierte Unterkunft für Geflüchtete in der Dingolfinger Straße wurde aus einem Auto heraus mit Feuerwerkskörpern beschossen. Einige Bewohner*innen bemerkten den Angriff und informierten den Wachdienst. Als dieser sich dem Auto näherte, entfernten sich die Angreifer*innen.

Quelle: Augenzeug*in / Register Marzahn-Hellersdorf

1. Dezember 2021

Von 10 bis 14 Uhr führte die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ einen Stand vor dem Einkaufszentrum Eastgate in Marzahn-Mitte durch. Am Rande des Informationsstandes verteilten die Neonazis Flyer, um für ihre Partei zu werben. Weiterhin riefen sie zu Kleider- und Sachspenden für deutsche Staatsangehörige auf. Der Stand wurde von rund 20 Angehörigen der Neonazipartei durchgeführt.

Darunter befanden sich mehrere einschlägig verurteile, gewaltbereite Neonazis, wie einer der Hauptverdächtigen extrem rechter Anschläge in Neukölln. Ebenfalls beteiligt waren Neonazis aus dem Neonazi-Kampfsportmilieu und der aktuelle Bundesvorsitzende der Partei aus Brandenburg.

Quelle: Augenzeug*in / Register Marzahn-Hellersdorf

Der Jahresbericht mit allen Artikeln kann hier heruntergeladen werden.

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