Auswertung 2024 für den Bezirk Reinickendorf

Die Gesamtzahl der Vorfälle in Reinickendorf stieg um 51 Vorfälle auf 225 Fälle an (2023: 175). Der Zuwachs fiel allerdings im Vergleich zum Vorjahr prozentual geringer aus (2024: 29 %; 2023: 71 %). Wie in anderen West-Berliner Randbezirken lag die Gesamtzahl damit weiterhin unter der der Bezirke in Innenstadtlage oder am östlichen Stadtrand. In Reinickendorf stachen im Jahr 2024 zwei Aspekte besonders hervor: diskriminierende Strukturen im Ankunftszentrum Tegel und ein Anstieg von Neonazi-Propaganda im Märkischen Viertel.
Im Vergleich zum berlinweiten Durchschnitt zeichnet sich Reinickendorf durch einen deutlich höheren Anteil struktureller Diskriminierung mit 14 % aus (berlinweit: 6 %). Anders als in anderen West-Berliner Randbezirken wie Spandau, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg war außerdem der Anteil antisemitischer Vorfälle in Reinickendorf mit Abstand am niedrigsten. Auch in absoluten Zahlen gab es in Reinickendorf berlinweit die wenigsten antisemitischen Vorfälle. Das lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass es in Reinickendorf, wie in manchen anderen Randbezirken, keine jüdischen Institutionen oder Treffpunkte gibt, die Ziel von Attacken werden könnten bzw. in deren Umfeld sich als jüdisch erkennbare Personen vermehrt im öffentlichen Raum bewegen. Rassistische Vorfälle dagegen spielten in Reinickendorf eine deutlich stärkere Rolle, als in ähnlichen Bezirken und ihr Anteil lag auch deutlich über dem Berliner Durchschnitt.
Die Steigerung im Bereich struktureller Diskriminierung ging vor allem darauf zurück, dass mehr diskriminierende Strukturen aus dem Ankunftszentrum für Geflüchtete auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tegel dokumentiert wurden (2024: 11; 2023: 5). Auch durch vermehrte Presseberichterstattung wurden mehr Vorfälle bekannt. So wurden Kinder über Monate hinweg nicht beschult und auf engstem Raum ohne Privatsphäre untergebracht. Aufgrund fehlender Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen waren Bewohnende Gesundheitsgefahren wie einer Masernansteckung ausgesetzt. Zudem äußerten sich Mitarbeitende rassistisch über Bewohnende. Von 31 Vorfällen aus dem Bereich struktureller Diskriminierung waren 15 im Ortsteil Tegel verortet. Neben der Unterkunft für Geflüchtete fanden sie in einer Sammelunterkunft statt, deren Adresse anonymisiert wurde, sowie in der Justizvollzugsanstalt. Drei weitere Vorfälle wurden aus Unterkünften für Geflüchtete jenseits von Tegel registriert.
Besonders im Märkischen Viertel wurde 2024 ein starker Zuwachs von Aufklebern des extrem rechten Versandhandels "aktivde" sowie von extrem rechten Schmierereien dokumentiert. Die Aufkleber richteten sich vielfach gegen Antifaschismus und die queere Bewegung und waren auf eine jugendliche Zielgruppe zugeschnitten. Ein häufig verklebter Sticker zeigte einen Kopf mit schwarz-rot-goldener Sturmmaske mit dem Slogan "Deutsche Jugend voran". Dieser Slogan bezieht sich auf eine neue extrem rechte Jugendgruppierung, die seit 2024 als loser Zusammenhang mit öffentlichen Aktionen in Erscheinung tritt. Im Sommer erlangte sie bundesweit Aufmerksamkeit mit Störaktionen gegen Pride-Paraden. In den Sozialen Medien gibt es einen bundesweiten und einen Berliner Ableger. Die Aufkleber von „aktivde“ sowie die Zunahme von extrem rechten Schmierereien deuten darauf hin, dass sich aktive junge Menschen mit extrem rechten Einstellungen im Märkischen Viertel aufhalten.
Die Broschüre mit weiteren Details zu Vorfallsarten, Motiven und der Verteilung der Vorfälle auf die Ortsteile gibt es hier.